Wirtschaftsspiegel Thüringen Ausgabe 06/2013 - page 7

Gastbeitrag
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Wir werden immer älter, wir bleiben länger gesund und leistungsfähig und die Anzahl derer, die auch mit Rentenausweis noch gern
weiter arbeiten, nimmt zu. Das alles zähle ich zu den wirklich guten Nachrichten.
Ein Gastbeitrag von Hartmut Koch, Präsident des
Verbandes der Wirtschaft Thüringens.
Die Potenziale der
„Silverworker“nutzen
Vor allem bei vielen Selbständigen ist
selten mit dem 65. Lebensjahr auch das
Arbeitsende gekommen, sondern hier
hat die Arbeits- und Leistungsfähigkeit
und das Vorhandensein des passenden
Nachfolgers viel eher über das Weiter-
arbeiten oder den Ruhestand entschie-
den als ein bestimmter Geburtstag.
Dass sich aber generell in den Unter-
nehmen tatsächlich im Denken etwas
verändert, zeigen die Zahlen. Inzwi-
schen haben wir eine stete Zunahme
von älteren Beschäftigten zwischen 60
und 65 Jahren: Von 27.027 Beschäftigten
im Jahre 2009 stieg die Zahl dieser
Altersgruppe auf 45.129 Beschäftigte
im Jahr 2012. Was das bedeutet, hat
Henry Ford sehr klug bemerkt: „Nimm
die Erfahrung und die Urteilskraft der
Menschen über Fünfzig aus der Welt,
und es wird nicht genug übrig bleiben,
um ihren Bestand zu sichern.“ Hier lie-
gen also eine Menge Chancen, wenn
wir das intelligent nutzen, was wir zur
Verfügung haben: Wissen, Können und
wertvolle Erfahrungen.
Wenn die Weiterbeschäftigung älterer
Mitarbeiter zur Normalität wird, erge-
ben sich allerdings daraus Konsequen-
zen: Zum einen wird es nötig sein, für
eine gezielte Weiterbildungsstrategie
der Unternehmen zu sorgen, die spe-
ziell auch für ältere Mitarbeiter ausge-
richtet wird. Zum anderen müssen die
Arbeitsplätze den Anforderungen älte-
rer Mitarbeiter angepasst werden. Ein
weiterer wichtiger Punkt ist ein konse-
quentes betriebliches Gesundheitsma-
nagement, das die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter darin unterstützt, die
persönlichen Ressourcen zu stärken
und die Verantwortung für die eigene
Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit zu
erhalten.
Und wir müssen heute schon daran denken, dass eine
bessere Bildung der heute zu gering oder gar nicht
Qualifizierten eine längere Erwerbsphase ermöglicht.
Denn das sind brachliegende Reserven, so haben rund
7,3 Millionen Beschäftigte – also 18 Prozent aller
Erwerbstätigen in Deutschland – keinen Berufsab-
schluss. Das sind in der Mehrzahl auch diejenigen, die
vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Gleich-
zeitig müssen wir unsere jungen Menschen motivie-
ren, eine höhere Bildung anzustreben, denn Personen
mit hohem Bildungsniveau bleiben länger im
Erwerbsleben, erzielen höhere Einkommen, zahlen da-
mit mehr Steuern und Sozialabgaben und außerdem
bringen junge Leute auch den erforderlichen
Wagemut, Erfindungsgeist und die Innovationsfähig-
keit ein, während das Geschäft der Alten mehr die
Erfahrung ist. Aber wenn beides zusammen kommt,
wenn in Arbeitsgruppen junge und erfahrenere
Mitarbeiter gemeinsam tüfteln und ausprobieren, soll-
te aus der Überalterung kein gravierendes Problem
entstehen.
Das wissen auch viele Unternehmen
und haben entsprechende Maßnahmen
eingeleitet. So hat zum Beispiel die
Jena-Optronik GmbH schon 2011 für ihr
Engagement den renommierten Arbeit-
geberpreis „AARP Best Employers for
Workers Over 50 Award – International“
erhalten. Da das Unternehmen auf ein
reifes Spezialwissen angewiesen ist, das
nur durch Berufspraxis erworben wer-
den kann, ist man bemüht, dieses
Wissen im Unternehmen zu halten und
weiter zu geben – durch langfristige
Bindung der Mitarbeiter und auf offene
und auf Teamarbeit orientierte Ar-
beitsstile in altersgemischten Teams.
Der Erfolg des Unternehmens zeigt,
dass dieser Weg richtig ist.
Aus den Erfahrungen der Unternehmen
unseres Verbandes weiß ich, dass das
Thüringer Netzwerk Demografie (TND)
für viele KMU zum wichtigen Partner
geworden ist, denn hier erhalten sie die
passgenau ausgearbeiteten Bedarfe der
Unternehmen und die dazu erforderli-
chen Qualifizierungen, vor allem auch
die der älteren Mitarbeiter.
Ein attraktiver Arbeitgeber ist nicht nur
der gut bezahlende, sondern auch der
sozial engagierte, deshalb ist der Trend
hin zu stärkerem sozialen Engagement
deutlich gewachsen. Die Berücksich-
tigung der Bedürfnisse der älteren Mit-
arbeiter, Familienfreundlichkeit und
Chancengleichheit ebenso wie das Be-
wusstsein für solidarisches Handeln
werden immer stärker zu Aushänge-
schildern der Unternehmen. Unsere
demografische Entwicklung ist nicht
optimal, aber sie birgt ebenso viele
Chancen wie Risiken. Die Chancen auf-
zuspüren und die Risiken zu minimie-
ren – das ist unsere Aufgabe.
Foto: Laudien
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VWT-Präsident Hartmut Koch
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