Wirtschaftsspiegel Thüringen Ausgabe 06/2013 - page 4

Fach- & Führungskräfte
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Gibt es ihn oder gibt es ihn nicht, den oft beschworenen Fachkräftemangel? Und vor allem: Wie tritt man ihm entgegen? Was können
Thüringer Unternehmen tun, um langfristig für den demografischen Wandel gerüstet zu sein? Das alles sollte eine Studie beleuchten,
die die Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen (LEG) in Auftrag gegeben hat. Die Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild.
Studie deckt Erwartungen
und Defizite auf
Befragt wurden Absolventen der Technischen Universität Ilmenau
und der Fachhochschule Jena nach ihren Erfahrungen bei der Job-
suche in Thüringen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass bei den
Bewerbern kein homogenes Bild von Thüringer Unternehmen exis-
tiert. Vielmehr sind die Erfahrungen der Absolventen sehr unter-
schiedlich. Einige Unternehmen scheinen erfolgreich zu versuchen,
einem potenziellen Fachkräftemangel durch überzeugende Stellen-
angebote und einen positiven Umgang mit den Bewerbern entge-
genzuwirken, während andere lokale Unternehmen durch ein unpro-
fessionelles Bewerbermanagement und/oder inakzeptable Gehalts-
angebote auffallen. Letztere werfen ein schlechtes Bild auf die
„Thüringer Unternehmen“ als Gesamtheit und verstärken das Vorur-
teil, Thüringer Unternehmen seien „schlecht zahlende Provinzunter-
nehmen“, so die Autoren Prof. Dr. Norbert Bach und Mandy Guttzeit.
Grundsätzlich sieht der Großteil der Befragten nach seinen Erfahrun-
gen keinen Fachkräftemangel in Thüringen. Von Seiten der Unter-
nehmen ist es möglich, gute Arbeitskräfte zu halten, indem sie Stu-
denten frühzeitig durch Praktika und Werksstudententätigkeiten
binden, ihr Bewerbermanagement professionalisieren und die
Zusammenarbeit mit den Hochschulen verbessern. Die befragten
Absolventen würden sich von den Thüringer Unternehmen wün-
schen, dass sie ihren Wert erkennen und ein angemessenes Gehalt
(auch mit Ost-Abschlag zum Bundesdurchschnitt) anbieten. Weiter-
hin ist den Befragten wichtig, dass ihnen frühzeitig Perspektiven im
Unternehmen und Aufstiegschancen aufgezeigt werden. Generell ist
den Befragten jedoch das Gehalt bei der Entscheidung für einen
Arbeitgeber weniger wichtig. Eine größere Rolle spielen die Nähe
zur Familie, eine ausgeglichene Work-Life-Balance sowie eine ab-
wechslungsreiche Arbeitsaufgabe und Entwicklungschancen im
Unternehmen. Trotzdem haben die Absolventen eine gewisse Gren-
ze, unter der Gehaltsangebote von ihnen als „unverschämt“ empfun-
den werden.
Die Autoren der Studie geben auch Handlungsempfehlungen. Den
Personalverantwortlichen wird geraten, mit ihren Bewerbern so um-
zugehen, wie sie selbst auch im Bewerbungsprozess behandelt wer-
den möchten. Dies umfasst eine möglichst kurze Antwortzeit, einen
freundlichen Umgangston im Bewerbungsprozess und angemesse-
ne Gehaltsangebote. Unternehmen sollten nur Stellen ausschreiben,
die es auch wirklich zu besetzen gilt, und diese zügig und professio-
nell bearbeiten. „Personalbeschaffung ist eine erfolgskritische Tätig-
keit, die bei Fehlverhalten sehr schnell sowohl den Ruf des Unterneh-
mens als auch den der Thüringer Arbeitgeber insgesamt
ruinieren kann“, heben die Autoren hervor. (tl)
Die Studie ist im Internet nachlesbar unter:
Foto: alphaspirit/fotolia.com
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